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Arbeitgeber Kirche "Christ sein ist auch eine Qualifikation"

Welcher Konfession ihr Arzt angehört, ist den meisten Patienten wohl egal. Trotzdem kommen Mediziner in katholischen Kliniken an der Glaubensfrage nicht vorbei. Stefan Heße, Stellvertreter des Kölner Erzbischofs, verteidigt das Kriterium für die Bewerberauswahl.
Von Eva Müller und Matthias Kaufmann
Nun sag', wie hast du's mit der Religion?

Nun sag', wie hast du's mit der Religion?

Foto: Corbis

In öffentlichen Krankenhäusern, die von der Kirche betrieben werden, gelten eigene Regeln. Die Debatte darüber ist nicht neu, immer wieder gelangen Fälle vor Gericht, in denen das besondere Arbeitsrecht der Kirche eine Rolle spielt. So darf die Kirche zum Beispiel einen Chefarzt entlassen, der nach einer Ehescheidung wieder heiratet, ganz gleich, wie gut seine Arbeit als Arzt ist. Die erneute Heirat widerspricht ihren Moralvorstellungen, das genügt.

Seit einigen Tagen hat die Debatte einen neuen Höhepunkt erreicht: Eine Frau wurde Opfer einer Vergewaltigung und berichtet, dass man ihr danach in zwei katholischen Kliniken Kölns riet, sich anderswo behandeln zu lassen. Die Kliniken selbst dürften nämlich nicht die sogenannte Pille danach verordnen. Nach katholischen Grundsätzen kommt die Verwendung des Präparats, das bei einer bereits befruchteten Eizelle die Schwangerschaft verhindert, einer Abtreibung gleich - eine schwere Sünde.

Schon bevor dieser Fall bekannt wurde, sprach KarriereSPIEGEL mit dem Generalvikar des Erzbistums Köln, Stefan Heße, über die fachlichen Qualitätsstandards in katholischen Kliniken. Heße ist in der Kirchenhierarchie Stellvertreter des Erzbischofs von Köln, Kardinal Joachim Meisner, und verwaltet rund 50.000 hauptamtliche Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen.

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Foto: privat

Was also sagt er zu der Frage, ob nicht die Qualität leidet, wenn man bei der Personalauswahl eine Konfession bevorzugt und bestimmte Bedingungen stellt? "Fachlich ja", bestätigt Heße, "aber man darf die Qualifikation als Christ nicht als beiläufig abtun. Das ist für mich auch eine Qualifikation."

Er führt weiter aus: "Natürlich soll derjenige auch, zum Beispiel, ein guter Herzchirurg sein, der sein Geschäft versteht. Aber er muss eben auch in der Lage sein, mit den Patienten zu kommunizieren. Und die Art und Weise, wie er eine Diagnose verkündet, die ist auch entscheidend." Und da sei der Glaube nicht zu unterschätzen. Auf Rückfrage haben auch die Ereignisse der vergangenen Tage an Heßes Position nichts verändert.

Allerdings ist der Generalvikar sich der Problematik bewusst - nicht zuletzt in der Gesundheits- und Pflegebranche, die zunehmend über einen Mangel an qualifizierten Kräften klagt. "Für mich ist natürlich schon die Frage: Wie lange wird das noch gehen können? Wir haben deshalb inzwischen Firmen beauftragt, die für die uns den Markt für Pflegepersonal analysieren." Sie hätten versichert, dass es noch genügend qualifizierte Katholiken gebe. Noch.

Kliniken profitieren nicht von Kirchensteuer

Bischöfe und kirchliches Führungspersonal wie Heße müssen sich derzeit positionieren zwischen einer kirchenkritischen Öffentlichkeit und kirchlichen Strömungen, die für einen besonders rigiden und antimodernen Kurs plädieren. So kontrollieren selbsternannte "Lebensschützer" mit den Methoden verdeckter Ermittler, ob sich Krankenhäuser an die religiösen Vorgaben halten oder doch die "Pille danach" verschreiben. Kliniken, die sie erwischen, werden beim Bischof oder bei der Glaubenskongregation in Rom angeschwärzt und auf Webseiten und in kirchennahen Fernsehsendern angeprangert.

Die Debatte um die medizinische Qualität in ihren Einrichtungen könnte die Kirche allerdings härter treffen als bisherige Fälle, in denen es vor allem um arbeitsrechtliche Fragen ging. Schließlich übernehmen sie als Krankenhausbetreiber zentrale öffentliche Aufgaben, für die sie dieselbe Finanzierung erhalten wie nicht-kirchliche Klinikkonzerne auch, nämlich von den Krankenkassen. Anders, als manches Kirchenmitglied annimmt, steckt die Kirche praktisch kein Geld aus der Kirchensteuer in Kliniken und Pflegeeinrichtungen.

Foto: WDR/Herby Sachs / Jeannette Corbeau

Eva Müller (Jahrgang 1979) arbeitet seit ihrem Volontariat beim WDR als freie Journalistin, vor allem für die WDR/ARD-Dokumentationsredaktion "die story", sowie für das ARD-Politikmagazin "Monitor". Soeben ist ihr Buch "Gott hat hohe Nebenkosten" erschienen.

Matthias Kaufmann (Jahrgang 1974) ist Redakteur von KarriereSPIEGEL und manager magazin online.