Schon Millionen Dollar in virtueller Währung erbeutet: Bitcoin wird zur Währung für Lösegeld-Erpresser

Von: Von HEIKO ROLOFF

Wir kennen es aus Filmen und aus echten Entführungen, wie beispielsweise dem Fall des deutschen Industriellen-Sohnes Richard Oetker: Erpresser sehen ihr Lösegeld am liebsten in Form von nicht markierten Banknoten in einem Aktenkoffer.

Doch dies gehört längst der Vergangenheit an. In der Welt des Internets bevorzugen Kidnapper eine neue Zahlungsmethode: die virtuelle Währung Bitcoin.

Das Internet hat eine vollkommen neue Generation von Erpressern geschaffen: Hacker haben rund um die Welt Millionen von Computern attackiert. Sie lassen öffentlich Webseiten zusammenbrechen und drohen ihren Opfern manchmal sogar körperlichen Schaden an.

Ihre Ziele: Ganz normale „User“, Finanzfirmen und sogar Polizei-Departments.

Die geforderten Lösegeldsummen sind vergleichsweise gering. 10 000 bis 20 000 Dollar. Manchmal mehr.

Der Hintergrund ist einfach:

► Viele Opfer zahlen lieber, weil der Schaden begrenzt ist.

► Die Masse der Fälle macht das Geschäft dennoch sehr lukrativ.

► Eine Gruppe von Online-Erpressern soll in Russland oder der Ukraine sitzen. Sie hat allein innerhalb eines Monats Bitcoins im Wert von 16,5 Millionen Dollar erbeutet – zumeist von Amerikanern. Das berichtet die Cyber-Sicherheits-Firma Sophos.

Warum Bitcoin?

Einfach: Sie werden in einem digitalen Portemonnaie aufbewahrt, das weder bei irgendeiner Regierung noch irgendeinem Geld-Institut registriert ist. Es kann zudem schnell in „echtes“ Geld umgetauscht werden, ohne Spuren zu hinterlassen.

Eines der Probleme ist die bisherige Volatilität des „Digi-Talers“.

Nach seiner Einführung vor knapp sieben Jahren war er lange fast wertlos. Dann schnellte er plötzlich auf mehr als 1000 Dollar in die Höhe, um kurz darauf wieder abzustürzen. Doch inzwischen hat er sich seit Monaten bei rund 290 Dollar eingependelt und zeigt erste Zeichen von Stabilität.

Bestes Indiz, dass der Bitcoin auf dem Vormarsch ist: Die stets siegende Investment-Bank Goldman Sachs investiert inzwischen in die virtuelle Währung.

Und auch die New York Stock Exchange preist die Internet-Währung inzwischen als eine schnellere und effizientere Technologie für finanzielle Transaktionen an.

Curt Wilson, ein Sicherheits-Analyst der Software-Firma Arbor Networks mit Sitz in Massachusetts: „Die kriminelle Unterwelt liebt den Bitcoin. Er gibt ihnen ein Maximum an Verdunklungsmöglichkeiten.“

Das berühmteste Beispiel für die Verbindung von Bitcoin und virtueller Unterwelt (Dark Web) war die Online-Drogen-Börse „Silk Road“, über die Heroin, Kokain oder Waffen im Wert von 1,2 Milliarden Dollar gehandelt wurden. Der Betreiber, Ross Ulbricht (aka Dread Piraten Roberts) wurde im Oktober 2013 festgenommen und später zu lebenslanger Haft verurteilt.

Doch der Bitcoin blieb für Online-Gangster attraktiv und die Zahl der Erpressungen mit Bitcoin-Forderungen nimmt stetig zu.

Jüngster Fall: In Florida wurden in der vergangenen Woche zwei Männer festgenommen. Sie hatten Computer mit einer sogenannten „Malware“ infiziert, die User so zu ihrer Website „coin.mx“ umgeleitet und Lösegeld gefordert.

In einem anderen Fall sind mehrere Finanzfirmen von einem Erpresser oder Erpresser-Ring namens „DD4BC“ angegriffen worden. Ihre Drohung: „Entweder Sie zahlen 10 000 Dollar in Bitcoins oder wir werden ihre Website mit Nachrichten-Verkehr überfluten und zusammenbrechen lassen.“ In einer ihrer Emails hieß es: „Wenn Sie uns ignorieren, steigt der Preis. Wenn Sie zahlen, sind Sie uns für die Lebensdauer ihrer Website los.“

Die Erpressungsversuche haben so stark zugenommen, dass die Investmentfirmen von ihrer Aufsichts-Agentur FINRA aufgefordert wurden, das FBI zu alarmieren, sobald sie von „DD4BC“ attackiert werden. Inzwischen gibt es sogar Erpresser-Softwares, die sich schnell rund um den Globus ausbreiten. Die erste Version nannte sich „CryptoLocker“. Sie hatte die „Files“ von Computern verschlüsselt und gegen Bitcoins einen Code angeboten, mit dem die USA wieder Zugriff auf ihre Daten bekommen.

Vor rund einem Jahr wurde der Kopf hinter CryptoLocker identifiziert. Es ist der Russe Evegniy Bogachev (30). Seine Organisation hat inzwischen mindestens 234 000 Computer infiziert und unter dem Namen „CryptoWall“ einen aggressiveren Virus entwickelt. Die Sicherheits-Tochter der Firma Dell schätzt: „CryptoWall hat bereits 800 000 Computer angegriffen.“

Und es entsteht immer neue „Malware“ wie „TorrentLocker“ oder „Dirty Decrypt“.

Wie sicher die Erpresser sich fühlen, zeigt dies: Sie haben bereits die Computer-Systeme mehrerer Polizei-Departments in den USA angegriffen und deren Files verschlüsselt. In mindestens zwei Fällen in Tennessee und Massachusetts zahlte die Polizei das Lösegeld, um den komplizierten Prozess, die Hacker zu umgehen, zu vermeiden.

Das bislang prominenteste Opfer ist inzwischen verstorben. Es war der Software-Designer und Cryptologe Hal Finney, von dem lange Zeit geglaubt wurde, dass er hinter dem Decknamen „Satoshi Nakamoto“ steckt, der als Erfinder des Bitcoins gilt und einer der ersten Investoren des Digi-Talers war.

Das Computer-Genie, das an der Lou Gehrig Krankheit litt, war von seinen Erpressern zwischen 2013 und 2014 aufgefordert worden, 1000 Bitcoins (damals 400 000 Dollar) zu zahlen. Anderenfalls würde sensible Informationen über seine Familie an die Öffentlichkeit gelangen.

Finney weigerte sich. Konsequenz: Sein Haus in Kalifornien wurde von einem SWAT-Team (mit Hubschrauber-Einsatz) der Polizei umstellt und durchsucht. Der Erpresser hatte die Adresse angegeben und per Notruf gesagt: „Ich habe zwei Menschen umgebracht und nehme mir jetzt selbst das Leben.“ Finney starb kurze Zeit später an seiner Krankheit im Alter von 58.

Bitcoin-Experten suchen nun nach einem Weg, mit der Erpresser-Welle umzugehen. Ein Vorschlag ist, die Bitcoins digital zu markieren – also genauso wie echte Banknoten bei Lösegeld-Zahlungen mit unsichtbaren Bleichmittel gekennzeichnet werden.

Problem: Der Bitcoin würde dann seinen Ruf als „freie“ Währung verlieren.

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