11.01.2013Fachbeitrag

Rechtskommentar:
Haftung des Finanzamts für eigene Fehler?
Zur unfreiwilligen Vorreiterrolle eines Hannoveraner Promis

Rechtskommentar:

Kosten, die dem Mandanten durch die erfolgreiche Arbeit des Steuerberaters im Einspruchsverfahren entstehen, werden gewöhnlich nicht vom Fiskus erstattet, weil die Abgabenordnung eine solche Erstattungspflicht schlicht nicht vorsieht. Eine Kostenerstattung findet erst dann statt, wenn bei erfolglosem Einspruchsverfahren im anschließenden Klageverfahren die Beraterkosten vom Finanzgericht "für notwendig" erklärt werden. Dies bedarf jedoch der separaten Beantragung im finanzgerichtlichen Verfahren. Der Berater, der im Einspruchsverfahren wenig erfolgreich für den Mandanten arbeitet, ermöglicht eine Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten also erst dadurch für den Steuerpflichtigen, dass er die Kostenerstattung – und zwar die für das Vorverfahren und die für das Klageverfahren - im sich anschließenden Finanzgerichtsverfahren erfolgreich geltend macht.

OLG Celle verurteilt das Land Niedersachsen auf Schadensersatzzahlung

Diese skurrile Praxis durchbrach jüngst eine Entscheidung des OLG Celle (Az.: 16 U 9/12), in der das Land Niedersachsen nach einem Fehler eines seiner Finanzbeamten zur Zahlung von rund 60.000 Euro Schadensersatz aufgrund eines zu Unrecht erlassenen ESt-Vorauszahlungsbescheids in zweistelliger Millionenhöhe an den AWD-Gründer Carsten M. verurteilt wurde. Dem Urteil lag folgender (vereinfacht dargestellter) Sachverhalt zugrunde:

Nachdem der Selfmade-Millionär im Jahre 2008 alle seine AWD-Aktien an ein Schweizer Unternehmen verkauft hatte, verlangte das für ihn zuständige Finanzamt auf Grundlage von selbst recherchierten Medienberichten über daraus entstandene Veräußerungsgewinne auch für 2009 Steuervorauszahlungen in Höhe von „lediglich“ rund 30 Millionen Euro. Dies stellte sich als grober Fehler heraus, denn Carsten M. besaß längst keine solchen Aktien mehr, die er im Jahre 2009 hätte verkaufen können. Eine in solchen Fällen übliche Rückfrage beim Steuerpflichtigen hatte das Finanzamt pflichtwidrig unterlassen und damit die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen nicht genutzt.

Nach einem Einspruch seines Steuerberaters nahm die Behörde den fehlerhaften Bescheid zwar zurück, sah jedoch keinen Anlass die Beraterkosten zu übernehmen, da das Einlegen eines Einspruchs ja vom Steuerpflichtigen hätte vorgenommen werden können bzw. angeblich ein förmlicher Einspruch schon gar nicht erforderlich war, da der Fehler offensichtlich gewesen sei und auch die formlose Beantragung einer Abhilfe ausgereicht habe. Carsten M. verklagte daraufhin das Land Niedersachsen auf Schadensersatz in Höhe von rund € 250.000, da die von ihm vorsichtshalber eingeschalteten beiden Steuerberater für den Erfolg im Einspruchsverfahren ein solches Honorar verlangt hatten. Während das Landgericht Hannover die Klage zunächst abwies, bekam der Unternehmer schließlich vor dem 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Celle zumindest teilweise Recht. Das Gericht sprach ihm ein knappes Viertel der geforderten Summe als Schadensersatz zu, da dieser Teil der Honorarforderung den gesetzlichen Gebühren eines Steuerberaters entsprach und der Steuerpflichtige nicht das Risiko eingehen müsse, isoliert eine bloße Abhilfe zu beantragen und dadurch u.U. die Einhaltung der laufenden Einspruchsfrist zu versäumen.

Für diese vom Gericht geäußerte Auffassung spricht im Übrigen auch, dass der mit der Wahrnehmung der Mandanteninteressen betraute Berater schon zur Vermeidung eigener Haftung aus Vorsichtsgründen gehalten ist, Einspruch einzulegen. Die darüber hinaus gehenden Kosten des ersten und auch die des von Carsten M. zur Sicherheit eingeschalteten zweiten Beraters wiesen die Richter aber - insoweit konsequent - als überzogen zurück.

Was macht diese Meldung für den Mandanten und den Berater im Ergebnis nun so interessant?

Weniger die Person des Anspruchstellers, als vielmehr die Tatsache, dass der Schadenersatz für Kosten zugesprochen wurde, die aus Berateraktivitäten resultierten, die einzig und allein im Einspruchsverfahren entstanden waren, an das sich kein finanzgerichtliches Verfahren anschloss.

Im Fall des Carsten M. waren die eingeschalteten Berater „zu früh“, also bereits im Einspruchsverfahren, erfolgreich tätig. Das hätte im Normalfall dazu geführt, dass der Steuerpflichtige diese Kosten hätte selbst tragen müssen. Da diese Konsequenz dem Vollblutunternehmer Carsten M. ganz und gar nicht einleuchtete, ging er im Wege einer zivilrechtlichen Klage gegen das Land vor. Mit Erfolg, wie sich gezeigt hat, wenngleich erst die zweite Instanz das gewünschte Ergebnis produzierte.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesem Fall?

Generell kann festgehalten werden: Je gravierender die Folgen des unzutreffenden Steuerbescheides und je gröber der/die Fehler des Finanzamts sich insgesamt darstellen, desto besser die Chancen des Steuerpflichtigen, auch die Beraterkosten eines isoliert durchgeführten Einspruchsverfahrens im Zivilrechtswege ersetzt zu bekommen. Dabei muss es nicht zwangsläufig nur um die Abwehr von zu Unrecht geforderten Steuerzahlungen gehen. Auch der umgekehrte Fall – die zu Unrecht abgelehnte Beantragung z.B. einer Investitionszulage – bietet vergleichbares Potenzial.

In der Tat ist es nicht hinnehmbar, dass sich ein nur bedingt versierter Steuerpflichtiger der Gefahr einer drohenden sofortigen Vollstreckung einer völlig unberechtigten Steuerforderung in erheblicher Höhe aussetzen oder sich in die faktische Abhängigkeit von einem Kreditinstitut begeben soll, nur weil die Finanzbehörde unzureichend oder gar von vornherein voreingenommen und dadurch unzutreffend gearbeitet hat.

Gerade bei höheren Streitwerten lohnt sich häufig eine genauere Prüfung der Verfehlungen des Finanzamts durch einen versierten Berater, der in der Lage ist, die entstandenen Ansprüche auch erfolgreich durchzusetzen.

Autor: Dr. Joerg Andres ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater (

www.andresrecht.de

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